Zukunftstrategie – Gedruckte Elektronik
Prof. Dr. Ing. Arved C. Hübler forscht an der Technischen Universität Chemnitz zum Thema gedruckte Elektronik mit einem interdisziplinären Team. KNOW!S besuchte das Institut für Print- und Medientechnik [pmTUC] in Chemnitz – die erste wissenschaftliche Einrichtung in Deutschland, die interdisziplinär auf diesem Gebiet forschte.
Wir treffen Professor Hübler in seinem Büro an der TU Chemnitz. Er holt ein Stück Papier im DIN A4 Format aus einer kleinen Glasvitrine und legt es auf den Tisch. Auf der Vorderseite ist ein florales Muster aufgedruckt, an einer Ecke Stecker angebracht. Hübler verbindet die Stecker mit einem kleinen Verstärker und schließt diesen an seinen Laptop an. Wenig später klingen chillige Töne aus dem Papier, das auf der Rückseite mit einer grauen Fläche bedruckt ist. Hübler führt uns einen gedruckten Lautsprecher vor, genauso wie gedruckte Solarzellen oder Sensoren. Das pmTUC beschäftigt sich seit Ende der 90er Jahre mit gedruckter Elektronik und war damit Vorreiter in Deutschland. Das erste wissenschaftliche Projekt hatte man im Jahr 2000 mit Siemens begonnen.
Das Institut
Das Institut für Print und Medientechnik (pmTUC) ist Teil der Fakultät für Maschinenbau an der Technischen Universität Chemnitz. Rund 300 Studenten zählt das Institut. Im Printlab werden heute schon Printprodukte der Zukunft produziert. Das Printlab ist offen für Ideen von Unternehmen oder Kreativen rund um das Thema gedruckte Elektronik. Man bietet Beratung, Machbarkeitsprüfungen, Drucktests, Prototypenentwicklung und Kleinserienfertigungen an.
Prof. Dr. Ing. Arved C. Hübler
Prof. Dr. Ing. Arved C. Hübler hat Physik studiert und seinen Doktor Ingenieur an der Hochschule der Künste in Berlin gemacht. Über die Mohndruck-Technik wurde Hübler als Experte von der TU Chemnitz angefragt, wie eine zukünftige Ausrichtung in Forschung und Lehre für Druckereitechnik aussehen könne, als diese sich neu aufstellte. Sein Ansatz, Elektronik und klassischen Druck weniger auf der Internetschiene zu sehen, als mehr auf der technischen, also dem Digitaldruck, fand Anklang und so wurde der klassische Maschinenbau, Mechatronik und Mikrotechnik, wie auch Chemie integriert.
Hübler stellt die Frage: Was ist Drucken?
„Für mich ist Drucken eigentlich eine Mikrostrukturierungstechnik“, sagt Professor Hübler und weiter „Das sage ich immer, um die Drucker zu erschrecken. Das klassische grafische Gewerbe, das Selbstverständnis, das noch der Setzer und der Drucker hat, wir sind buchaffin, wir sind so halbe Intellektuelle unter den Ingenieuren, das hat sich weiter- und weg entwickelt. Drucken ist eine Technologie geworden, bei der es eigentlich darum geht, feinste Strukturen effizient zu erzeugen.“ Das sei damals und eigentlich bis heute nicht das Selbstverständnis von Druckmaschinen-Herstellern und Druckern, die sich immer noch als grafische Industrie verstünden. Und so auch von der Gesellschaft gesehen und zur Kreativwirtschaft gezählt würden. Hübler: „Für mich war damals schon relativ klar: Wenn das hier am Institut und mit dem Drucken langfristig weitergehen soll, muss man sich und das Selbstverständnis grundsätzlich ändern.“
Mittlerweile habe sich das Thema „gedruckte Elektronik“ weiterentwickelt. Seit den letzten fünf Jahren ist die Druck-industrie insgesamt in einem starken Wandel und so reklamierten heute viele gedruckte Elektronik als die Zukunft und es gebe mehrere Forschungsstandorte, so etwa auch die Fachhochschule in Stuttgart. Dies sei eigentlich erfreulich, bedeute aber nicht, dass das Thema damit durch sei, so die Einschätzung des Chemnitzer Professors.
Denn es gebe bei der gedruckten Elektronik die entscheidende Frage: Wozu brauchen wir sie eigentlich? Welche Anwendungen gibt es für gedruckte Elektronik, die zwar in aller Munde, aber nicht ein etabliertes Fachgebiet ist? Das Thema sei immer noch auf dem Weg, befindet Hübler, der auch klarstellt, dass er die Elektronik-Industrie und nicht die Druck-Industrie meine, wenn er von in aller Munde spricht. Dort habe man vor ein paar Jahren die Vorstellung verfolgt, man könnte Druckmaschinen mit dem Internet verbinden und „da irgendwas Neues draus machen“, kommentiert Hübler die
Innovationsbemühungen der Druckerkaste.
Alle Branchen müssten heute über den Tellerrand blicken und für die Druckindustrie, die seit 20 Jahren im Wettbewerb mit den elektronischen Medien und deren extrem schneller technologischer Entwicklung stehe, gelte dies ebenso. Es gebe keine andere Wahl, als dass man sich damit beschäftige und generell überlege, wie sich die Medien, die Geschäfte und die Anwendungen um das Drucken entwickeln werden.
Pizza drucken
Zwischen Technik und Inhalt liegt ein Unterschied. Einem Verleger oder Redakteur ist es egal, wie sein Inhalt gedruckt wird oder auf dem iPad erscheint. Der Inhalt hat seine eigene Agenda. Die Technik steht auf der anderen Seite und wenn man das so denkt, dann öffnen sich sofort neue Anwendungsgebiete. Dann gibt es Entrepeneure, die sagen, in Zukunft werden Lebensmittel gedruckt. Und es gibt Start-Ups, die noch etwas versponnen sind, und die sagen, wir machen issue printing: wir drucken Fleisch, wir drucken Pizza. Man müsse aber auch ganz deutlich sagen, dass gedruckte Elektronik technologisch noch am Anfang stehe und noch an vielen Stellen prototypisch sei, so die Wissenschaftler aus Chemnitz.
Die Definition von gedruckter Elektronik
Man kann Elektronik drucken und Elektronik im klassischen Sinne sehen: Das bedeutet, man hat eine Vorstellung, was Elektronik ist. Das reicht von einem Computer oder Aufnahmegerät hinunter bis zu einer Chipkarte oder der RFID-Technik. Und diese sollen jetzt durch gedruckte Prozesse gefertigt werden. Bei diesen klassischen Anwendungen will man durch den Druck die Herstellung vereinfachen, etwa auf Reinraum und Vakuum verzichten. Aber hier gibt es immer auch den Vergleich mit der Silizium-Technik und deren Leistungsvermögen, die mit gedruckter Elektronik heute noch selten gelinge, so der Professor.
In Chemnitz verfolgt Professor Hübler einen anderen Ansatz. Er startet mit der Drucktechnologie, mit der er etwas anderes drucken will, nämlich nicht mehr farbige Pigmente sortieren und verteilen, sondern elektronische Funktionen. Dies sei daher so interessant, weil von Drucktechnologie und deren Effizienz in der Produktion eine große Attraktivität ausgehe. Vergleiche man etwa den Durchsatz an Quadratmetern hergestellter Elektronikfläche in einer klassischen Silizium-Herstellung mit der der KBA 48C-Rollendruckmaschine, die aktuell bei Schaffrath in Geldern steht, so ließe sich dort ein Vielfaches an Elektronikfläche in der Stunde herstellen. Und es ist kein Reinraum nötig. Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, neue Anwendungen und Geschäftsmodelle zu finden. Also neue Produkte, die eine Druckmaschine liefern kann und die noch unbekannt sind. Für so eine Vision ist die Welt noch gar nicht bereit, befindet Hübler.
„Was wir bisher im Labor produzieren, wie gedruckte Batterien oder Displays, die blinken, das ist alles ganz nett, aber noch keine Killerapplikation. Wir sehen hier die Produktion von Solarzellen als ganz aussichtsreich an. Der Grund: Die klassischen Solarzellen sind ineffizient, sehr teuer und nicht der Technik letzter Stand. So produziert man mit anderen Techniken immer noch günstiger Strom, als mit einer Solarzelle. Wir drucken derzeit auf unserer Tiefdruck-Rollenmaschine hier im Labor Solarzellen in 15 cm breiten Bahnen, die etwa zwei Prozent Strom liefern auf einer zehnmal so großen Fläche wie die klassische Solarzelle, die 15-20 Prozent Strom produziert.
Am Ende kann es günstiger sein, aber sie haben keinen Markt dafür in Europa.“, erläutert Hübler. Den Markt sieht er mehr in Entwicklungsländern, wo es teilweise immer noch Regionen gebe, die nicht elektrifiziert seien. Dort Solarzellen anzubieten, die günstig auf Papier gedruckt sind, von den Menschen dort mit Druckknöpfen an ihren Häusern angebracht werden können und bei Bedarf, weil sie durch Witterungseinflüsse gelitten haben, ausgetauscht werden, sei eine Chance und ein großer Markt. Geht es nach Hübler, ist für ihn der Ausgangspunkt und das Ziel die klassische Druckmaschine. Auf der Labormaschine in Chemnitz kombinieren die Wissenschaftler verschiedene Druckverfahren, vom Tief-, über den Sieb-, Flexo- bis zum Offsetdruck, um unterschiedliche Schichtdicken zu erhalten. Gerade den Offsetdruck für gedruckte Elektronik öffnen zu wollen, ist eine Spezialität der Chemnitzer. Der Offsetdruck sei eigentlich ein katastrophales Druckverfahren, klassifiziert Hübler, vor allem, wenn definierte Schichten gefordert seien, damit Widerstände und das elektrische Verhalten vernünftig aufgetragen sind und funktionieren.
Seine Konkurrenten setzten meistens auf Flexo- oder Tiefdruck. Nur diese Maschinen stünden nicht bei jedem Drucker um die Ecke. Damit sei Offsetdruck in der gedruckten Elektronik die Oberliga. Mit diesem Verfahren haben die Chemnitzer auch schon Sensoren realisiert. Sicher wird man für gedruckte Elektronik einmal spezielle Maschinen benötigen, aber eben keinen Reinraum und Vakuum. Start-Ups wie die Chemnitzer 3D Micromac entwickelten heute schon Druckmaschinen für Elektronik. Deren Kunden seien aber Elektronik und Materialhersteller, die im Labor gedruckte Elektronik entwickelten.
Werbung und Marketing sind nur Gimmicks
Im Marketing gibt es erste Gimmicks, bei denen Elektrolumineszenz eingesetzt wird, um den berühmten Aha-Effekt auszulösen. Faktisch ist gedruckte Elektronik noch relativ teuer, und die Ideen geraten so in eine Stückzahlen-Falle. Es muss viel entwickelt werden, die Materialien sind teuer und das Ganze lohne sich erst, wenn millionenfach gedruckt werde, so Hübler. Hier gibt es noch kein kontinuierliches Geschäftsmodell. Die Sachsen haben zum Beispiel einen Lautsprecher als Flaschen-Label vorgestellt, also eine Flasche die Töne absondert. Wenn eine davon ins Flaschenregal im Supermarkt gestellt wird, ist dies ein Hingucker. Würden dies alle Flaschen unterschiedlicher Marken anbieten, ist der Aha-Effekt verpufft.
Daher setzt Hübler nicht so sehr auf klassische Druckprodukte oder Werbung, sondern sucht nach Lösungen für Probleme, bei denen neue Produkte gebraucht werden. Als Beispiel nennt er die Sensorik. So drucken die Chemnitzer Sensoren auf Papierbahnen, die Feuchte messen können. Diese Bahnen könnten beim Flachdachbau eingesetzt und mit Messsystemen verbunden werden. Dringt Feuchtigkeit ein, schlagen die Sensoren an und es kann sofort an der richtigen Stelle repariert werden. Diese Sensoren werden im Offsetdruck realisiert.
Ein anderes Beispiel wären Sound-Tapeten. Hübler: „Wir haben Prototypen von Soundtapeten entwickelt, die Produktion gestaltet sich aber schwierig. Technisch wäre das möglich. Wir haben mit den großen Tapeten-Herstellern darüber diskutiert – auch ernsthaft geprüft – aber das ist für die kein Markt. Aus teils ganz banalen Gründen. Die sagen: Unser Malermeister, der unsere Tapeten kauft, ist nicht in der Lage elektronische Anschlüsse zu verlegen. Das passt vom Service, vom ganzen Ablauf her nicht in die Konstellation – unabhängig davon, wie viele Leute das kaufen würden.“ Aber auch von den Lautsprecher-Herstellern kam eine Absage mit der Begründung, man verkaufe keine Tapeten, weil man keine Expertise im Verkleistern von Tapeten habe. Hier muss in Zukunft nach Lösungen gesucht werden, um diese neuen Technologien mit den herkömmlchen Verfahren zu verknüpfen.
Hübler schätzt die Entwicklung sehr realistisch ein. Ein gedrucktes Display auf Papier, auf dem Videos abgespielt werden, brauche mindestens noch 20 Jahre. Aber ein Besuch von Mitarbeitern von Samsung an der Chemnitzer TU zeige, dass auf der ganzen Welt intensiv geforscht werde. Man habe es jetzt gerade geschafft, einen Lautsprecher und eine Schaltung zu kombinieren und so am Ende den Sound direkt vom gedruckten Papier zu erzeugen. Einen Piepton. Wollte man jetzt etwa die Ode an die Freude abspeichern, dann wären zehntausende, hunderttausende Transistoren oder Speicherelemente nötig. Und das bekommt man aktuell noch nicht gedruckt.
Auf die Frage, ob eine solche Anwendung nicht ideal für Rauchmelder wäre, wird Hübler nachdenklicher. Denn Sensorik und technische Anwendung erscheint aktuell sowohl was die Komplexität angeht, als auch die Realisierbarkeit überschaubarer. Hübler befürchtet nur, dass klassische Druckereien mit diesen Anwendungen überfragt wären, weil sie dann Märkte schaffen müssten und dies im Hinblick auf die aktuelle Verfassung des konventionellen Printbereichs nicht gerade einfach wäre. Allerdings ist das Institut für Print und Medientechnik immer auch an Kooperationen mit Unternehmen aus der Praxis interessiert, wie Hübler versichert.
Fotos: Rainer Holz