Projektmanagement: Leitplanken statt Daumenschrauben
Lastenheft, Pflichtenheft oder agiles Arbeiten kennt man eigentlich eher aus den Softwareschmieden. Aber auch wer Content Marketing betreibt oder Publikumstitel vertreibt, dem schadet Prozessmanagement nicht. Vor allem hilft es, Kosten, Anforderungen und Projektziele zu definieren, und später bei der Evaluation. Eigentlich Pflicht und Kür in einem.
Pflichten- und Lastenheft
Alles beginnt mit dem Lastenheft, mündet im Pflichtenheft und am Ende einer Projektarbeit am Besten mit der Kür – die Sektkorken knallen zu lassen. KNOW!S geht auch der Frage nach, ob der Prozess zum agilen Arbeiten passt.
Die Welt der Beispiele mit Missverständnissen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer sind groß und die Liste lang und es gibt das schöne Wort Lieferpanne. Und wer jetzt glaubt, dies betrifft nur die Hersteller hochkomplexer Systeme wie Flugzeuge oder Hochgeschwindigkeitszüge, der irrt. Da kann auch mal ein Container falsch genähter Badeanzüge mit dabei sein.
Es gibt sogar Textbausteine für die Entschuldigung in der Business-Kommunikation. Und jeder Trainer lehrt: Eine Entschuldigung kann auch eine Chance sein. Eine Kostprobe von Empfehlungen für den, der sich entschuldigen muss: Sprechen Sie nie von „falsch“, sondern von „nicht korrekt , oder statt „zu spät“ formulieren Sie besser „nicht rechtzeitig“. Auch Zeitangaben mit dem Wort „maximal“ zu versehen, sollte vermieden und lieber „bis zu“ verwendet werden.
Nennen wir es Nachfrage und Angebot oder Briefing und Re-Briefing
Aber, was gilt es zu tun, dass man sich bei der Entschuldigung gar nicht erst in schnörkeligen Formulierungen winden muss? Verstehen wir zunächst: ein Lastenheft ist nicht das gleiche wie das Pflichtenheft. Das Lastenheft formuliert der Auftraggeber. Das hat den Vorteil, dass sich auch der Auftraggeber noch einmal intensiv mit der Aufgabenstellung befasst.
Enthalten sollte dieses auf jeden Fall eine kurze Beschreibung der Ist-Situation im Unternehmen und was durch das Projekt erreicht werden soll. Dazu die Ansprechpartner, aber auch die Dinge zu formulieren, wie es nach dem Launch des Projektes weitergehen soll. Ob etwa Software-Updates nach dem Start vom Dienstleister weiter betreut werden sollen oder ein Magazin überarbeitet wird und wie die Produktion mit eingebunden wird. Ob es ein Designmanual geben soll, oder das Redaktions- und Designteam geschult werden sollen, aber auch, ob der Relaunch noch einmal evaluiert wird.
Im Pflichtenheft beschreibt der Auftragnehmer wie er die Vorgaben des Lastenheftes umsetzen will. Das Pflichtenheft kann auch als Teil des Angebotes verstanden werden. Hier sollten Ziele klar benannt werden, aber auch das, was nicht Bestandteil des Auftrages ist. Für den Auftragnehmer ist es sinnvoll klar darzulegen, was später mit der spezifischen Anforderung nicht erreicht werden kann. Dies hilft beiden Vertragspartner genau zu verstehen, was der eine will und der andere leisten wird. Dies muss nun nicht bedeuten, dass beide ihre Hefte im stillen Kämmerlein in tagelanger mühevoll bürokratischer Arbeit erarbeiten, sondern kann Bestandteil eines gemeinsamen Workshops oder schon Beratungsleistung sein.
Das Pflichtenheft hilft das Projekt zu strukturieren. Im Pflichtenheft können Zeitplanung und, denkt man an agile Prozesse oder Design-Thinking, auch Zwischenschritte definiert werden. Dies hilft bei der Bewertung der einzelnen Schritte und des Erreichten. Vor allem erleichtert es die Endabnahme zwischen den beiden Partnern und kann Basis für Weiterentwicklungen sein.
Aber passen Lasten- und Pflichtenheft zu agilem Arbeiten und Design-Thinking?
Kritiker sagen oft nein, denn es schränke die Freiheit des Denkens und der Kreativität ein. Befürworter von Verträgen sagen ja, denn es muss Leitplanken auch für agile Projekte geben, sollen diese nicht in Streit und im schlechtesten aller Fälle vor Gericht landen. Warum ein Vertrag und ein Lasten- und Pflichtenheft auch bei agilem Arbeiten sinnvoll sind, wird sofort klar, wenn man das Projekt nicht von seinem kreativen und hoffentlich energiegeladenen Beginn aus betrachtet, sondern einen Blick auf einige beispielhafte Punkte nach der Phase der Realisierung wirft.
Darum kann agil arbeiten ein Vorteil sein
Bei klassischen Projektsteuerungen kann es immer wieder zu Problemen in der Verständlichkeit zwischen Lasten- und Pflichtenheft kommen. So argumentiert die Fachabteilung, oft gerade digitale Abteilungen, zu fachlich in der Sprache und daraus resultieren nicht selten Kommunikationsprobleme.
Lasten- und Pflichtenheft müssen während der Arbeit angepasst werden
Wer agil arbeitet, reduziert die Vorlaufphase für Lasten- und Pflichtenheft, wenn er nur die Leitplanken festlegt.
Die Produktverantwortlichen auf beiden Seiten spielen eine wichtige Rolle.
Entscheidungen müssen schnell getroffen werden, sonst droht bei agilem Arbeiten sehr schnell Leerlauf im Team, oder das Team erarbeitet Lösungen auf Halde. Bei Projekten mit externen Kunden, ist es für den Projektverantwortlichen auf Kundenseite wichtig, wie viele Mitentscheider er einbindet: je mehr es sind, desto langsamer der Projektfortschritt.
Dies spricht aber im agilen Prozess für eine Zielvereinbarung und Leitplanken, die im Prozess noch angepasst werden können.
Welche Rechte hat der Auftragnehmer nach dem erfolgreichen agilen Projekt dem Auftraggeber eingeräumt? Ein wichtiger Bestandteil eines Vertrages, etwa bei kreativen Projekten, bei denen auch urheberrechtliche Fragen berührt sind, für den, der das agile Projekt beauftragt hat. Umgekehrt ist es für den, der das Projekt aufgesetzt hat, wichtig zu klären, wer im Live-Betrieb die Haftung und Gewährleistung übernimmt, gerade auch gegenüber Dritten. Daher benötigen auch agile Prozesse Lasten-, Pflichtenheft und einen Vertrag, aber mit einem großen Unterschied: Sie müssen die agile Projektstruktur abbilden und klar darlegen, dass es während der Projektlaufzeit zu Änderungen und Abweichungen im Pflichtenheft kommen kann.
Wie wird der Auftraggeber eingebunden und seine Zustimmung eingeholt? Benötigt der Auftraggeber einen ergänzenden Kostenvoranschlag, wie schnell muss dieser bestätigt werden, um die agilen Prozesse nicht zu stark zu unterbrechen und vor allem, wie tauschen sich die Parteien darüber aus? Soll dies per E-Mail geschehen, sollte dies zuvor im Vertrag so geregelt werden und diese E-Mails Bestandteile des Vertrages werden? Es ist, hat man einmal die Leitplanken klar definiert, also nicht so, dass jedes Mal ein persönliches Treffen mit Brief und Siegel erfolgen muss, sofern dies vorher geklärt wurde. Und so schafft ein Vertrag einen Rahmen, in dem das Projekt schnell und effizient, ob agil oder nicht, für beide Seiten zum Erfolg werden kann.
Wir lernen also, dass bei agilen Prozessen das Pflichtenheft auch agil gestaltet werden sollte. Und es kann im agilen Prozess zu dem Punkt kommen, dass sich das Projekt so konkretisiert hat, dass die Ziele im klassischen Pflichtenheft festgehalten und ein Festpreis festgesetzt werden kann.
Darf das Pflichtenheft schon etwas kosten?
Agenturen sind häufig der Auffassung: ja. Denn schon die Erstellung des Pflichtenheftes ist mit Aufwand verbunden. Und Agenturen haben damit schon schlechte Erfahrungen gemacht: Auftraggeber, die mit dem Pflichtenheft zur Konkurrenz gegangen sind und sich dort ein weiteres Angebot eingeholt haben. Schließlich ist das Pflichtenheft die erste Stufe der Konzeption und sollte daher auch vergütet werden. Den Auftraggeber verpflichtet dies, das Pflichtenheft und das damit einhergehende Angebot zu prüfen und dieses anzunehmen oder abzulehnen.
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