Content Distribution – Die Pusteblume als Vorbild
Das Content Marketing Forum hat ein Whitepaper mit interessanten Erkenntnissen zur Content Distribution aufgelegt. Auszüge und ein Gespräch mit Dr. Christian Fill, einem der Autoren, lesen Sie hier in KNOW!S.
Die Pusteblume hinterlässt bei uns Menschen ambivalente Gefühle. Zum einen denken wir an unsere Kindheit zurück, an das Glück, wenn wir die kleinen Fallschirme mit den Samenkörnern auf die Reise schicken. Da wussten wir noch nicht, dass wir später mit dünnen Stecheisen in unserem Garten dem Auslöser der Pusteblume, dem gewöhnlichen Löwenzahn hinterherhecheln werden. Und auf keinen Fall eines wollen: Eine Ausbreitung. Aber wie heißt es so schön in der Beschreibung des Grüns mit der gelben Blüte und langen Wurzel: Der Löwenzahn ist eine ausdauernde krautige Pflanze.
Ausdauer braucht auch der, der Content Marketing betreibt. Denn schließlich handelt es sich bei Inhalten nicht um Schweinebauch-Abverkaufswerbung. Eine weite Verteilung seiner Inhalte ist dem werbenden Ansatz des Marketings dienlich. Wenn dann die vielen kleinen Samenkörnerfallschirme sich weit verbreitet und dauerhaft verhaftet haben, dann ist das Paradies für Content Marketing fast erreicht.
Das „content marketing forum“ (cmf) hat ein interessantes Whitepaper aufgelegt mit dem Titel „Content Distribution“. Das Papier liefert auch eine gute Erklärung, was man unter Content Marketing versteht: „Relevante redaktionelle Inhalte entfalten auf allen verwendeten Kanälen eine messbare Wirkung“. Einer der Mitverfasser, Dr. Christian Fill, Geschäftsführer der Profilwerkstatt, gibt in einer kleinen Frage-Antwort-Runde spannende Einblicke in aktuelle Themen und Trends:
Im aktuellen Whitepaper sprechen Sie davon, dass Inhalte im strategischen Marketing so eingesetzt werden müssen, dass sie messbar zu den Unternehmenszielen beitragen. Wie stelle ich mir das vor?
Das ist die Aufgabe von Content Marketing, mit redaktionellen Inhalten Unternehmensziele voranzutreiben. Sonst wäre es nur l´art pour l´art. Nehmen Sie den Versandhandel. Sowohl in den digitalen Kanälen wie in gedruckten Medien lösen gute Inhalte Kaufimpulse aus. Ich habe das selbst erlebt – eine Jeans, die regelrecht inszeniert und zu Testzwecken nur über einen Kanal zu bestellen war, war innerhalb von fünf Tagen ausverkauft.
Aber welche Instrumente schlagen Sie generell vor?
Niemand kann da eine allgemeingültige Antwort geben – denn dies ist eine technische Frage. Neben den analytischen Fähigkeiten von Google gibt es eine Reihe von Sekundäranbietern und Technologiespezialisten. Wichtig ist, dass die Content Marketing Strategie festlegt, welche Kenngrößen gemessen werden sollen. Darauf muss die Technik aufsetzen.
Sie unterscheiden zwischen Content Distribution und Promotion. Worin liegt der Unterschied?
Die direkte Kommunikation mit bereits bekannten Stakeholdern, etwa Kunden oder Interessenten über Owned Media nennen wir Content Distribution. Content Promotion dagegen spricht eine breite, meist mit spezifischem Targeting definierte Zielgruppe über Paid Media, etwa Native Advertising, oder Earned Media, z.B. PR oder Influencer Marketing, an.
Warum ist der Unterschied so wichtig? Ist das nicht etwas akademisch?
Ganz und gar nicht. Bei Content Distribution ist die Ansprache qualifiziert, etwa über Informationen aus einem CRM-System, hat eine geringere Reichweite als die Promotion, dafür aber kaum Streuverluste. Für gezielte Promotion steht meist ein entsprechendes Media-Budget zur Verfügung. Ziel der Content Promotion ist eine höhere Aufmerksamkeit für die eigenen Inhalte für ein bestimmtes Thema.
Es reicht also nicht mehr einfach nur ein Kundenmagazin zu erstellen und an bekannte Kunden zu verschicken?
Vielleicht hat es noch nie gereicht. Ein Kundenmagazin ist ein wesentliches Element zur Kundenbindung. Wenn in der Strategie der Schwerpunkt auf die Kundenbindung gelegt werden soll, kommt niemand um gedruckte Medien herum. Aber allein ein Magazin? Seit dem Jahrtausendwechsel arbeiten Unternehmen crossmedial – Print wird spätestens seit damals digital flankiert.
Ich muss also als Unternehmen heute vielfältig aktiv werden, um schon meinen Content über mein Produkt oder Dienstleistung zu verbreiten?
Korrekt, und das liegt nicht daran, dass die Werbetreibenden Inhalte als lukratives Geschäftsfeld entdeckt haben. Sondern daran, dass in westlichen Gesellschaften Menschen bis zu 13.000 Werbebotschaften pro Tag erhalten. Ein Unternehmen, das sich distanzieren will, setzt Inhalte entlang der Customer Journey ein.
Content im Funnel, das bedeutet auch, dass im Content Marketing der Kaufprozess stärker mitgedacht werden muss. Es reicht also nicht nur die einfach schön erzählte Geschichte, sondern es müssen auch kaufrelevante Informationen mitgesandt werden?
Das stimmt nur zum Teil. Content Marketing ist eine strategische Disziplin, und Ziel jeder Unternehmensstrategie ist das betriebswirtschaftliche Wachstum. Insofern müssen Unternehmen gezielt Informationen für unterschiedliche Kanäle aufbereiten – Facebook erfordert anderes Auftreten als ein Webmagazin, allein schon, weil das Nutzungsverhalten und die Informationserwartung der User eine andere ist. Das heißt aber gerade nicht, dass jeder Satz schreit: „Kauf mich!“.
Reicht Content Marketing nicht auch schon in den Bereich der PR hinein?
Umgekehrt. Die PR ist im Zugzwang. Die Kollegen aus den PR-Abteilungen sehen die Kraft der Inhalte und die Kraft der Kanäle – und was es bedeutet, nicht anlass- sondern themenbezogen an die Öffentlichkeit zu gehen. Gutes Content Marketing und gute PR gehen Hand in Hand.
Wenn wir über Native Advertising sprechen, was halten Sie von der Kennzeichnung von Inhaltsbotschaften als Anzeige, wie es das Wettbewerbsrecht und der Pressekodex bei „Earned Media“ vorsieht?
Das ist zwingend erforderlich. Guter Journalismus lebt davon, dass mit offenem Visier gekämpft wird. Das gilt am Kiosk genauso wie für jene Journalisten, die im Content Marketing an der Schnittstelle zum Marketing arbeiten.
Welche Skills brauchen Content Anbieter heute und sollten sie diese eher intern aufbauen oder extern einkaufen?
Schreibe und Gestaltung, Technik und Analytik – das sind die vier Grundsäulen, auf denen Content-Anbieter ihre Teams aufbauen müssen. Wähle zwei von vier, kaufe die anderen zu. Oder kooperiere. Ab einer gewissen Größe entfremden sich Agenturen von ihren Kunden und den Aufträgen. Da sind Netzwerke, bestehend aus kleineren Agenturen, agiler und oftmals günstiger.
Wenn man das Whitepaper und die Ausführungen von Dr. Christian Fill zusammenführt, wird sehr schnell klar, dass es immer wichtiger wird, sich intensiv mit dem Verlangen und den Bedürfnissen der Kunden auseinanderzusetzen. Also um eine konsequent strategische Positionierung als Content Anbieter gegenüber Kunden. Dies müssen aber nicht nur die eigenen schon bekannten Kundengruppen sein.
Christian Fill, 47, ist Vizevorstand im Content Marketing Forum und dort unter anderem zuständig für Digital Medien und Crossmedia. Der promovierte Ingenieur ist Geschäftsführer der Profilwerkstatt und war zuvor Geschäftsführer bei C3 creative code and content.
Das Whitepaper bezieht den Ansatz von Kotouc und Kranz aus dem Jahr 2008 des „Harvard Business Manager“ (Ausgabe 12/2008) ein und das dort vorgestellte Premiumradar für Markenmanagement. Dies wurde abgewandelt und auf die Bedürfnisse des Content Marketing angepaßt und kann bei der Positionierung helfen. So liegen sich auf der X-Achse die Felder „schnell informieren“ oder „Wissen vertiefen“ gegenüber und auf der Y-Achse ob die „Ansprache emotional“ oder „sachlich“ ausfallen soll. Nun würde niemand auf die Idee kommen ein Buch aufzulegen, wenn er schnell informieren will. Aber welche Erzählform, Meldung, Nachricht, Reportage, ist die richtige, in welchem Medium und für welche Kunden oder Rezipientengruppe? Dies kann ich mit dem Radar eingrenzen und plausibel machen.
Die Autoren des Whitepapers beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Marketing für Inhalte. Also, dass der Content wahrgenommen wird. Die Unterscheidung zwischen Content Distribution und Promotion erscheint sehr wichtig, auch im Hinblick auf die Kontrollmöglichkeiten über meine Inhalte, wie Dr. Fill erläuterte. Klar wird, eindimensional darf Content Marketing nicht gedacht werden. Es bietet vielmehr durch die Option des Dialoges über Themen vielfältige Ansätze der Vernetzung. Hier unterscheidet das Whitepaper zwischen passiver Distribution, also den Wegen, die ich selbst als Unternehmen einschlage, damit über meine Inhalte kommuniziert wird. Und aktiver Distribution, die mit passiver Distribution beginnt. Über Sharing Funktionen kommt der Content ins „Fließen“, wird von anderen aufgegriffen und somit zu Nutzergruppen weiter transportiert, die ich nur alleine mit Owned Media nicht erreiche.
Darüber darf der eigentliche Zweck, das Verkaufen des eigenen Produktes oder der Dienstleistung, nicht vergessen werden. Also die zielgerichtete Ausrichtung des Content Marketings auf den Verkauf von Produkten und Leistungen durch Imageförderung und Wissensvermittlung. Dazu dient, wie Dr. Fill ausführt, die Betrachtung des Content im Funnel. Das Whitepaper des cmf erläutert zudem anschaulich, welche Skills für gutes Content Marketing und dessen Distribution benötigt werden.
Denken wir noch einmal kurz an die Pusteblume zurück. Was nützt es, wenn sie noch so schön aussieht, aber keiner kommt und sie herausreißt? Nur, wenn die kleinen Fallschirme weit verteilt sind, werden wieder Pusteblumen daraus, und so verteilen sich die Samenkörner immer weiter und ziehen größere Kreise. Also, ohne Distribution ist alles Nichts. Das Schöne an Content Marketing ist, das Verbreitete hat Inhalt und erzählt selbst an den entlegensten Orten – die mein Samenkorn erreicht – die Ursprungsthemen weiter, von seinem Urheber und Angebot.
Marion Pape
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