Typographische Inspiration in Frankfurt aus 100 Jahren
„Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main“ heißt die Ausstellung im Frankfurter Museum Angewandte Kunst die heute eröffnet wird. Visuelle Kommunikation und Schriftgestaltung – heute Typographie genannt – aus 100 Jahren ist vom 25. März bis 21. August 2016 zu sehen. Eine inspirierende Ausstellung für Menschen, die sich mit Typografie beschäftigen.
Die Abbildung zeigt eine Neujahrskarte aus dem Jahr 1927 der Ortsgruppe Frankfurt im Bund der deutschen Buchdrucker. Der Entwerfer der Karte ist Adam Schick, der verwendete Schriftschnitt ist eine „Grotesk“. Die Karte befindet sich in der
Sammlung Albinus im Museum Angewandte Kunst Frankfurt a.M.
Die Ausstellungsmacher sehen das Grafikdesign, die isuelle Kommunikation und die Schriftgestaltung in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg in einer Linie mit dem Modernisierungs- und Gestaltungsprojekt, das als „Das Neue Frankfurt“ vor allem in die Architekturgeschichte eingegangen ist. Im Rückblick werde die Dimension des Projektes deutlich, so die die Ausstellungsmacher. Das Projekt „Das Neue Frankfurt“ habe eine politische, gesellschaftliche und gesamtkulturelle Dimensionen, die mit dem Anspruch angetreten sei, eine neue Stadt und eine neue Gesellschaft zu erschaffen.
„Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main“ und der begleitenden Publikation erstmalig eine systematische Aufarbeitung dieser Epoche für den Bereich Typografie und Grafikdesign vor. Die Ausstellung fokussiert sich auf die Zeit der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ausgewähltes Design wird bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts gezeigt und exemplarisch Arbeiten von heutigen Kommunikationsdesignern und Typografen.
1920er Jahre: Neue Typografie in der Sammlung Philipp Albinus
Ausgangspunkt der Ausstellung „Alles neu!“ ist eine rund 7.000 Stücke umfassende Sammlung von Geschäfts- und Privatdrucksachen aus dem Nachlass des Buchdruckermeisters und Schriftsetzers Philipp Albinus (1884-1957). Albinus war von 1924 bis 1934 Fachlehrer für Typografie und Werkstattleiter für Schriftsatz an der Städtischen Kunstgewerbeschule, ab 1924 außerdem Vorsitzender des Kreisvorstandes des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker. Er wurde zu einem wichtigen Vertreter der Neuen Typografie und der radikalen Kleinschreibung in Frankfurt, die er in Vorträgen und Publikationen nachdrücklich propagierte und mit den Studierenden der Kunstgewerbeschule praktizierte. In der Zeit von 1910 bis 1950 legte Philipp Albinus eine umfangreiche Mustersammlung an, die zahlreiche Kleingrafiken, Werbe- und Geschäftsdrucksachen, Einladungen und Programmhefte enthielt, darunter Auftragsarbeiten für den Magistrat der Stadt Frankfurt, eigene Arbeiten Albinus’ und seiner Schülerinnen und Schüler sowie Jahres- und Glückwunschkarten anderer Ortsgruppen des Bildungsverbandes der Deutschen Buchdrucker. Die Sammlung Albinus wurde in der Vorbereitung für die Ausstellung „Alles neu!“ erstmalig wissenschaftlich aufgearbeitet und wird hier – in Auszügen – zum ersten Mal öffentlich präsentiert. In weiten Teilen mehr Ansammlung als gezielte Sammlung und damit vergleichsweise ungefiltert, bietet der Nachlass Albinus einen einmaligen Einblick in das typografische und werbegrafische Geschehen jener Zeit.
In den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erlebte Deutschland einen tiefgreifenden Umbruch im Bereich Schriftgestaltung. Bis dahin wurden in Drucksachen zumeist gebrochene Schriften verwendet, die noch auf die Zeit der Erfindung des Buchdrucks zurückgingen. Mit der „Neuen Typographie“, welche die sogenannten Groteskschriften propagierte, zog die Gestaltungsmoderne innerhalb weniger Jahre in den Bereich der gedruckten Schriften ein. Neben László Moholy-Nagy, El Lissitzky und Kurt Schwitters waren es vor allem Schriftgestalter, Buchdrucker und Setzer – also jene, die sich hauptberuflich mit typografischer Gestaltung befassten – die ganz wesentlich zur Durchsetzung und Verbreitung der „Neuen Typographie“ beitrugen.
Die Ausstellung zeigt den Umbruch in der Typographie der 1920er Jahre, als die gebrochenen Schriften, also Frakturschriften von den Groteskschriften verdrängt wurden, allen voran durch die heute noch beliebte Futura, die Paul Renner entworfen hatte.
Design in der Nachkriegszeit
Nachdem der wichtigste Grafikdesigner des „Neuen Frankfurt“, Hans Leistikow, nach 1945 nur kurzzeitig wieder bei der Stadt Frankfurt eingestellt worden war und seine Arbeit keine Akzeptanz mehr fand, nahm er einen Ruf an die Werkakademie Kassel an. Der dort unter ihm entstehenden Kasseler Plakatschule gehörten u.a. Hans Hillmann, Wolfgang Schmidt und Gunter Rambow an, die ihren Arbeitsschwerpunkt jedoch in Frankfurt hatten und zusammen mit Günter Kieser sowie zahlreichen weiteren Gebrauchsgrafikern nicht nur das Geschehen in Frankfurt und Deutschland, sondern auch international beeinflussten. Dazu gehörten vor allem die Gruppe Novum – Gesellschaft für neue Grafik, Isolde Monson-Baumgart, Wolfgang Schmidt oder Hermann Zapf.
Die Ausstellung „Alles neu!“ zeigt Grafikdesign aus dieser Zeit vor allem anhand eines umfangreichen Sammlungsbestands des emeritierten Offenbacher Hochschullehrers Prof. Friedrich Friedl, der unter anderem Teilnachlässe der Grafiker Max Bittrof (1890-1972) und Wolfgang Schmidt (1929-1995) enthält. Weitere Archive, aus denen Leihgaben gezeigt werden, sind das Kramer Archiv Frankfurt, das Archiv Rambow Güstrow, das Archiv Baier Mainz, das Archiv Lienemeyer Offenbach, das Archiv Leu Wiesbaden, das Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a. M., die Sammlung Vittoratos Frankfurt a. M., die Sammlung Beuttler Darmstadt, das Archiv Zimmermann Frankfurt a. M., die Sammlung Buschinger Paris und der Nachlass Dexel Berlin.
Nicht zuletzt ist es aber auch den in Frankfurt ansässigen, vor allem US-amerikanischen Werbeagenturen sowie Buchverlagen wie Suhrkamp und S. Fischer zu verdanken, dass im Rhein-Main-Gebiet nach 1945 wieder eine Grafikdesignszene auf hohem Niveau entstand. Auch hierfür zeigt die Ausstellung zahlreiche Beispiele.
Im aufgeladenen Spannungsfeld zwischen Bankenpräsenz, Bauspekulation, Frankfurter Schule der Soziologie, linker Verlage und Studentenbewegung engagierten sich viele Grafiker in Nischen der Kultur und in der Protestbewegung für gesellschaftliche Veränderungen und manchmal auch für radikale Alternativen; eine Gemengelage aus Kommerz und Kritik, wie sie so in kaum einer anderen deutschen Stadt vorzufinden war. Dabei spielte auch die Satire eine nicht zu unterschätzende Rolle, wie sie mit der Zeitschrift „Pardon“ und der sogenannten „Neuen Frankfurter Schule“ ihren Ausdruck fand.
Alles neu! 100 Jahre Neue Typografie und Neue Grafik in Frankfurt am Main
25. März – 21. August 2016
Museum Angewandte Kunst
Schaumainkai 17
60594 Frankfurt am Main