Digitalagentur
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Stand der Digitalisierung: Der Blick durchs Glasfaserkabel

Das Digitale kehrt aus, rüttelt ganze Branchen durch und schafft gleichzeitig ungeheure Chancen. Vor 30 Jahren begann in Deutschland die Digitalisierung, heute rufen wir Websites oder Apps in der Straßenbahn oder im Freibad auf. Eine Analyse über das Wie der Digitalisierung, die rasanten Entwicklungszyklen und der Frage, wohin die Reise geht – mit besonderem Blick auf die Medien. Teil II: Digital + Mobile – Fortsetzung der KNOW!S-Serie „Rethinking Media“.

Wenn man heute Menschen, auch Politiker befragt, was das Internet für sie ist, so bekommt man eine Antwort eher selten: eine Infrastruktur. Das war ganz zu Beginn der Entwicklung des kommerziellen Internets ganz anders. Da gab es das denglische Wort „Datenhighway“, wie es heute noch im Duden steht. Übersetzt heißt dies weniger sexy „Datenautobahn“ und 1994 nannte der „Spiegel“ das Netz „Infobahn“. Heute nennen die Menschen meist Anwendungen, wie Social Media oder Informationsbeschaffung, wenn man sie nach dem Kern des Internets befragt. Das Netz ist längst im Alltag der Menschen angekommen. Niemand nennt sich mehr Cybernaut, Netizen, Netzbürger oder Netzbewohner, aus Mausklick wurde längst Klick und heute Wisch und die Menschen sind smarte Mobilisten. Auch die digitalen Angebote der Medien heißen nur noch in den seltensten Fällen Webzine oder E-Zine. Wer bei künftigen Entwicklungen – ob stationär oder mobile – dabei sein will, sollte das Netz, die Netzinfrastruktur mit regionalen Ausprägungen und Hardware immer einem Faktencheck unterziehen und im Blick haben. Auch und gerade, wenn es um digitale Medien geht.

Wie es in Deutschland begann

Das Internet in Deutschland begann in Karlsruhe und in Dortmund. 1984 wurde in Karlsruhe der erste Knoten an das CSNet eingerichtet. Die Wissenschaftler konnten mit den USA, Kanada, Schweden und Israel kommunizieren, allerdings nur per E-Mail. Es folgten die Fraunhofer und Max-Planck Institute und Unternehmen wie BASF und Siemens. In Dortmund dachte man zunächst über ein europäisches Netzwerk nach und verband sich 1989 mit Amsterdam. Karlsruhe hatte 1989 die erste Internet-Standleitung zum New Yorker NYSERNet. Baden-Württemberg war führend, verband seine Hochschuleinreichtungen mit dem „BelWü“ und betrieb ab 1988 das erste regionale IP-Netzwerk außerhalb der USA, das 1989 an das Internet mit der Anbindung an die USA erfolgte. Seit dem 5. November 1986 gibt es die deutsche Top-Level-Domain „.de“, die bis 1988 in den USA verwaltet wurde. Die ersten fünf DE-Domains waren dbp.de (für die damalige Deutsche Bundespost), rmi.de (für das damalige Unternehmen RMI Nachrichtentechnik), telenet.de (für das Unternehmen Telenet), uka.de (Universität Karlsruhe), uni-dortmund.de und uni-paderborn.de.  1995 gab es 5.000, 1996 schon 40.000 De-Domains und die Eine-Million-Marke wurde 1999 geknackt, in dem Jahr, in dem Boris Becker in der AOL-Werbung sagen durfte: „Ich bin drin“. Aktuell gibt es über 15.700.000 De-Domains, die bei der Denic verwaltet werden. Das erste deutsche Internetcafe war in Fürth. „Falkens Maze“ wurde 1994, also vor 20 Jahren eröffnet, ist aber mittlerweile wieder geschlossen.

Die Infrastruktur in Deutschland hinkt im europäischen Vergleich hinterher
Wer derzeit über Infrastruktur in Deutschland spricht, hört, sieht und liest viel über geteerte Straßen in mehr oder weniger schlechtem Zustand. Dabei ist ein Blick auf die digitale Infrastruktur und die Frage, ob sie zu den Themengebieten gehört, die der öffentlichen Daseinsfürsorge zuzurechnen ist, höchst interessant. Die Bundesregierung hat eine aufschlussreiche Website im Netz: www.zukunft-breitband.de Dort gibt es eine Deutschlandkarte, die darüber Aufschluss gibt, wie weit die Digitalisierung in Deutschland vorangeschritten ist und welche Bandbreiten vorhanden sind. Wer 50 Mbit/s, also die Übertragungsgeschwindigkeit, mit der man einen Film ruckelfrei sehen kann, eingibt, sieht eine fleckige Landkarte, bei der es mit der Region Köln eine Insel gibt, in der über 95 Prozent aller Haushalte diese Option haben, aber der größte Teil, vor allem auf dem Land nicht. Selbst bei der Bandbreite 1 Mbit/s gibt es noch vier Kreise, unter anderem in der Eifel, wo nur zwischen 75 und 95 Prozent der Haushalte einen Breitbandanschluss haben. Besser sieht es da schon mit der Mobilfunktechnik LTE aus, die zwar verbreiteter ist, aber da, wo es Lücken gibt, dann völlig fehlt. Für die weitere Entwicklung spielt die Netzinfrastruktur eine entscheidende Rolle und nicht nur, wenn man an Web-TV denkt, das Bandbreiten von über 50 Mbit/s benötigt. Der Ausbau des Glasfaserkabels spielt dabei eine wichtige Rolle, aber gerade hier hat Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern die rote Laterne, denn die meisten Deutschen surfen im stationären Web über Kupferkabel. Es gibt neue Ansätze, etwa UKW Frequenzen für den Ausbau des drahtlosen Netzes freizugeben.

Das mobile Netz hängt an der Infrastruktur

Auch bei den mobilen Anwendungen liegt Deutschland nicht an erster Stelle, sondern erreicht im 1. Quartal 2014 mit die schlechtesten Werte im europäischen Vergleich. Im Durchschnitt standen für mobile Anwendungen 2,9 Mbit/s in Deutschland zur Verfügung und nur für 11 Prozent über 4 Mbit/s. Zum Vergleich die Zahlen aus Österreich: Der Durchschnitt surft dort mobil mit 6,1 Mbit/s und 63 Prozent über 4 Mbit/s. Auch Frankreich, Irland, Italien oder Russland erreichen ähnliche Werte und ziehen damit an Deutschland vorbei. Dabei wächst der mobile Markt stark.

Das mobile Internet ist auf dem Vormarsch

Die Langzeitstudie des Allensbach Instituts, die Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (Acta) 2013, zeigt vor allem in der Grafik „Innovationswellen im Computermarkt“ eindrucksvoll die Veränderungen bei der Gerätebeschaffung. 2013 wurden zum ersten Mal mehr Laptops verkauft als Desktop-PC und auch die Zahl der Tablets steigt exponentiell an. Blickt man auf den Technik-Wunschzettel, dann haben sich Laptop und Tablet angenähert und in etwa gleich viele Menschen planen, sich ein solches Gerät anzuschaffen. Aktuell nutzen nach der Acta-Studie 23 Prozent der Deutschen ein Tablet. Das Smartphone wird, geht die Entwicklung so weiter, das Handy in der Nutzung bald überholt haben und blickt man auf die Kaufabsichten, ist das klassische Mobiltelefon schon fast reif für das Museum. 27 Prozent planen den Kauf eines Smartphones und nur noch sechs Prozent wollen ein Handy erwerben. So sind die einst großen Marken Nokia, Motorola und Sony Ericson die Verlierer auf dem Handy Markt, während Samsung Nokia schon überholt hat und auch Apple auf dem Vormarsch ist.  Beide Marken beherrschen den Smartphone-Markt und wenn die Prognosen stimmen, wird das in näherer Zukunft auch so bleiben, weil bei beiden Marken, bei Apple sogar noch stärker, die Markenbindung sehr hoch ist.

Bei den Tablets haben die Marken Apple und Samsung derzeit die Nase vorn und beide werden qualitativ als hochwertig eingestuft. Samsung hat in der Markensympathie sogar schon Apple überholt. Allerdings darf man hier gespannt sein, wie sich die Entwicklung weiter vollzieht, vor allem nach der Einführung von Windows 8.1. Damit werden hybride Geräte wie das Dell Venue 8 Pro Tablet-PC für Unternehmen interessant. Eines ist allerdings sonnenklar: Die Internetnutzung mit mobilen Geräten hat sehr stark zugenommen und ist nicht mehr zu bremsen. Die unter 30-jährigen setzen vorrangig auf das Smartphone. Menschen mit hohem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Status und im Alter zwischen 20 bis 49 Jahren – die technische Avantgarde – nutzen Tablet und Smartphone parallel. Die Älteren und weniger Technik-Affinen zwischen 40 und 59 greifen dagegen eher nur zum Tablet. Denkt man an „google“-Glas oder Smartwatches, so ist auch kein Ende der Geräteentwicklung in Sicht.

„Vielfach sind aktuelle Zeitungen gar nicht im Haushalt verfügbar.“
Professor Andreas Vogel

Die Mediennutzung

Dabei unterscheidet sich, so die ACTA-Studie, auch das Mediennutzungsverhalten derer, die beide Gerätearten im Einsatz haben, stark von denen, die nur ein Tablet nutzen. So lesen die 40-59-jährigen reinen Tabletnutzer längere Texte immer noch lieber auf Papier und lehnen kostenpflichtige Inhalte von Zeitungen und Zeitschriften ab. Das überrascht zumindest bei den Tageszeitungen nicht. Nach der aktuellen „ma 2014 Tageszeitungen“ finden sich bei allen Gattungen von regionalen bis überregionalen Titeln die meisten Leser in der Gruppe der über 50-Jährigen. Während die Reichweite bei den 14-29-Jährigen unter 10 Millionen liegt. Prof. Dr. Andreas Vogel schlussfolgert in seiner Untersuchung „Talfahrt der Tagespresse – Eine Ursachensuche“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, bei der er Regionaltitel untersuchte: „Von den unter 30-Jährigen rezipiert nach den AWA*-Werten nur noch jeder Fünfte die regionale Presse regelmäßig. Ursächlich für das Nichtlesen von regionalen Tageszeitungen ist dabei zunächst aber hauptsächlich, dass aktuelle Zeitungen gar nicht im Haushalt verfügbar sind.“ Vogel sieht vor allem die Verteuerung der Titel als Ursache, die er in seiner Studie belegt, aber auch, dass mit der Verteuerung aus der Sicht der Leser keine Qualitätsverbesserung einhergegangen sei. Und die Verlage hätten, so Vogel, in der ersten Dekade des neuen Jahrtausends durch eine einseitige Fixierung auf die Entwicklung digitaler Geschäftsfelder selber kräftig dazu beigetragen, das Image der Tagespresse als zeitgemäßes Medium zu demontieren.

Aber zurück in die digitale Welt: Bei denen, die beide mobilen Endgeräte-Sorten nutzen, zeigt sich ein anderes Medienverhalten: 78 Prozent halten das Internet für ihre tägliche Information für unverzichtbar, nur noch 47 Prozent lesen längere Texte lieber auf Papier und auch die Bereitschaft, für Inhalte zu bezahlen, steigt. Sie gehen mehrmals täglich mit ihren mobile Devices ins Netz. Auch die sozialen Netzwerke werden immer stärker mit dem Smartphone genutzt. Die Zahl derer die kostenpflichtige Apps nutzen, nimmt zu. Aber die Zahlungsbereitschaft für Online-Angebote bleibt gering, vor allem bei denen, die keine mobilen Devices nutzen, so die ACTA. Prof. Vogel gibt allerdings zu bedenken, dass die reine Mediennutzung trotz hoher Verweildauer von durchschnittlich 169 Minuten, wie die ARD/ZDF-Onlinestudie 2013 bescheinigt, gering sei. So hätten aktuelle Informationen aus Europa und der Welt 19 Prozent, aus Deutschland 18 Prozent, aus dem Bundesland 11 Prozent und aus der Region 13 Prozent gelesen. Spannend dürfte die nächste ARD- und ZDF-Langzeitstudie Massenkommunikation sein, die etwa alle fünf Jahre herausgegeben wird. Bei der letzten Erhebung 2010 wurde das Internet von der Gesamtbevölkerung insgesamt 83 Minuten am Tag genutzt, davon 24 Minuten Medieninhalte und 13 Minuten aktuelle Nachrichten. Die 14-29-Jährigen dagegen lasen schon 21 Minuten aktuelle Nachrichten im Internet, nur noch zehn Minuten eine Tageszeitung und vier Minuten eine Zeitschrift. Allerdings entstand die Erhebung noch vor der Einführung des ersten iPad in Deutschland, denn das kam am 28. Mai 2010 auf den Markt.

Fazit: Die Digitalisierung von Medien und Gesellschaft kann nicht mehr wegdiskutiert werden, sondern erfordert einen offenen und klaren Blick auf die rasante Entwicklung von Netzinfrastruktur, Hardware und Applikationen, weil diese drei Faktoren maßgeblichen Einfluss nehmen. Die nächsten großen Schritte stehen bevor. Das Internet der Dinge klopft an die Tür: mit der Einführung des neuen Adressstandards IPv6 und den damit billionenfach zur Verfügung stehenden Internetadressen. Interessant ist die Entwicklung des „Leia Tablett LivePaper“ von Leia Media in Finnland. Eine Art E-Reader der ohne Strom, nur von Sollarzellen betrieben, auskommen soll und den rund 90 Haushalte, die die finnische Tageszeitung „Helsingin Sanomat“ beziehen, im Mai testen sollten. Das „LivePaper“, derzeit noch mit einer Glasoberfläche versehen, soll im nächsten Schritt mit einer Kunststoffoberfläche die dünner, leichter und flexibler ist, ausgestattet werden. Auch die Solarzellen sollen durch transparente Membrane ersetzt werden. Leia Media will nach den ersten Prototypen kommerzielle Lösungen ab dem Jahr 2015 anbieten. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

Fotos: Rainer Holz / Models: everydaypeople