Macht einer Kunstmarke – Interview mit Thomas Baumgärtel
Gelb und krumm: rundherum Banane. Seit 30 Jahren sprüht der Kölner Künstler Thomas Baumgärtel ein Logo in der immer gleichen Grundform: Die Bananensprayer-Banane.
Wir treffen Thomas Baumgärtel in seinem Atelier im Kölner Stadtteil Mülheim. Vor dem Atelier steht ein gelb angesprühter Wohnwagen mit vielen Bananen darauf. Baumgärtel ist der Bananensprayer, der über 4.000 Orte zeitgenössischer Kunst mit seiner Banane ausgezeichnet hat. Aus dem illegalen Graffiti wurde ein weltweites Markenzeichen. Die Urschablone seiner Spraybanane ist heute im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn zu sehen. Das Erfolgsrezept? 30 Jahre lang hält Baumgärtel an der Urform fest. Verändert am Kern: nichts! Aber lässt Abwandlungen zu, ergänzt Texte, spielt mit Formen. So entstand ein weltweit unverwechselbares Markenzeichen, das noch nicht einmal das Plagiat fürchtet.
Mit Thomas Baumgärtel sprach Andi Goral
KNOW!S: Herr Baumgärtel, wie fing alles an und wie kommt man auf „Banane“?
Thomas Baumgärtel: Im Dezember vor 30 Jahren habe ich während meiner Zivildienstzeit eine Banane ans Kreuz genagelt. Ich komme aus einer eher naturwissenschaftlichen Familie und mein Vater wollte, dass ich Medizin studiere. So kam ich im Zivildienst in ein Krankenhaus. Eines Morgens betrat ich ein Krankenzimmer und dort war eines der Kreuze abgefallen. Ich habe die Scherben zusammengekehrt und dachte das leere Kreuz kann ich jetzt nicht einfach wieder aufhängen. Da ich eine Frühstücksbanane dabei hatte, habe ich die an das Kreuz genagelt und das dann wieder aufgehängt.
Das hat eine unglaubliche Wirkung erzeugt. Die Patienten waren direkt Feuer und Flamme und es setzte bei ihnen fast so eine Art Spontanheilung ein. Die Ordensschwestern, die das Krankenhaus betrieben, haben natürlich Terz gemacht. Und so wurde mir klar, ich will Künstler mit Wirkung werden.
Und wann ging es in den öffentlichen Raum?
Die gesprühte Banane habe ich vier Jahre später, also 1986, entwickelt. Ich habe an der Kölner Werkschule studiert und mich weiter mit der Frucht beschäftigt. Dort hatte ich schnell den Ruf weg: Der Baumgärtel macht halt was mit Bananen. Erst später habe ich dann meine erste Schablone geschnitten. Inspiriert haben mich die Arbeiten von Blek le Rat, Xavier Prou, der Anfang der 80er Jahre in Paris mit großen Schablonen mannsgroße Figuren an Mauerwände gesprüht hat oder Harald Nägeli mit seinen Strichmännchen.
Was war der erste Kunstort, den Sie markiert haben?
Das weiß ich leider nicht mehr genau. Ich habe natürlich in Köln die ersten Galerien ausgezeichnet. Denn ich wollte mit meiner Spraybanane zeigen, hier ist ein toller Ort zeitgenössischer Kunst.
Ist die Spraybanane über 30 Jahre immer gleich geblieben oder haben Sie die Form einmal verändert?
Nein, die ist immer gleich geblieben. Es gibt noch die Urschablone, die gerade das Haus der Geschichte der BRD in Bonn ausstellt. Ich habe diese Form über all die Jahre immer wieder exakt nachgeschnitten. Man verschleißt so einige Schablonen, wenn man 4.000 Orte weltweit markiert hat.
Warum haben Sie die Urform nie verändert?
Mich hat Konzeptkunst fasziniert, also etwas anderes als reine Malerei. Ich wollte die Kunst erweitern und neue Formen finden. Zum einen musste das Motiv vom Konzept her immer gleich sein, weil es ein weltweites Motiv ist. Als studierter Psychologe habe ich den Rohrschacht Test in die Kunst übertragen. Also als Künstler ein vergleichbares Motiv zu entwickeln, um, dann in der Diagnostik darauf zu achten, wie reagieren die unterschiedlichen Menschen. Also musste ich gleiche Bedingungen und eine Wiedererkennbarkeit schaffen, also eine Art Projektionstest. Heute ist es das Logo der Kunst.
Wird einem das immer gleiche Motiv nicht selbst irgendwann langweilig? In der Markenwelt, aber auch in der Medienwelt erlebt man ja Veränderungen am Design in immer kürzeren Zyklen?
Nein, das wird es nicht, denn es gibt eine Metamorphose der Banane, eine Wandlung in über 180 Motive. Nehmen sie als ein Beispiel die Karnevalsbanane. Oder ich nutze die Farben gelb und schwarz für meine Motive oder eine Mini-Bananenschablone um im Stil des Pointillismus zu arbeiten.
Und das Motiv selbst ist zu einem Werkzeug geworden. Ende der 80/90er
Jahre habe ich dann an Häuserwänden die Banane um Sprüche wie „Diese Banane ist ganz und gar Vincent gewidmet“ ergänzt. Also eine textliche Erweiterung. Oder denken Sie an die Jubiläumsfeier 750 Jahre Kölner Dom, als ich eine Riesenbananen-Skulptur in das Hauptportal gesetzt habe. Also es gab Veränderungen, aber immer nur als Metamorphose, also das drum herum änderte sich. So wurde die Banane zu dem starken Markenzeichen für mich, wie sie es heute ist.
Ist das Haltung oder Selbstverliebtheit?
Nein, Selbstverliebtheit glaube ich nicht. Das ist mehr die Freude am Schaffen eines Werkes, das die Menschen zuordnen können. Ich habe ein Atom und aus diesem Kohlenstoffatom baue ich ganz viele andere Dinge zusammen. Dieses eine Element ist immer da. Ich habe mit dem visuellen Symbol Banane so eine Art Markennamen wie Haribo und den würde doch niemand im Leben mehr verändern. Ich kann damit 100.000 Dinge tun, ihn anders gestalten, kann ihn zu etwas anderem benutzen, das ist der Kern. Wenn der Kern als Logo der Kunst verloren gehen würde, würden die Menschen das Zeichen nicht mehr verstehen.
Also kann es ausreichend sein, das Umfeld neu zu gestalten?
Es hat sich um die Banane auch noch etwas anderes verändert. Die Wahrnehmung: Anfangs wurde ich ja von Kölner Galeristen bei der Polizei angezeigt. Da war meine Banane ein illegales Zeichen. Heute ist es eine gewünschte Auszeichnung. Ein Beispiel: Im Ruhrgebiet habe ich nochmal drei Jahre richtig intensiv gesprüht und mir 100 Orte zeitgenössischer Kunst angesehen und rund 60 ausgezeichnet. Ich kam an ein Museum und wunderte mich über den Presserummel. Ich fragte einen Journalisten, wer denn hier Wichtiges zu Besuch sei. Die Antwort war: „Wir warten auf den Bananensprayer.“
»Heute ist es das Logo der Kunst.«
Hätte es auch mit einer Gurke funktioniert?
Ich glaube nicht. Da hätten die Menschen doch zu sehr assoziiert, wir sind eine Gurkengalerie oder so… das ist jetzt keine Auszeichnung.
Wie gehen Sie mit Plagiaten um?
Je mehr man nachgeahmt wird, desto besser ist das. Ein Künstler, dessen Werk heute nicht von einer Schar von Leuten nachgemacht wird, hat keine Wirkung erzeugt. 1995 hatte ich ein Schlüsselerlebnis. Ich wollte in Moskau sprühen und habe angekündigt, dass ich das Bananenprojekt dorthin trage. Dann wurde mir gesagt, es gibt an den Moskauer Galerien schon Bananen. Aber ich war noch nie in Moskau, das konnte ja gar nicht sein. Die waren nicht von mir. Dann habe ich gesehen, die waren teilweise an die Galerien gemalt. Teilweise auch gut gemacht. Die wussten ja nicht, wie kommen sie an den Bananensprayer ran, haben aber dennoch mitbekommen zu einer guten westlichen Galerie gehört die Banane als Auszeichnung. Also habe ich meine Banane einfach dazu gesprüht und Fotos gemacht mit beiden Bananen.
Jetzt machen Sie ja auch Aktionen, bei denen der Rezipient Teil der Kunstaktion wird. Sie geben die Banane vor, der Galerie-besucher den Text, den Sie dann tagen, also mit dem Edding-Marker dazuschreiben. Ich nenne das jetzt mal Social Media-Kunst. Das ist ja jetzt Mode, oder?
Ja. Kaspar König, der langjährige Leiter des Museum Ludwig, hat die Aktion gesehen, als ich das auf Facebook gepostet habe. Lustig, dass der bei Facebook unterwegs ist. Er hat das auf seiner Seite geteilt und geschrieben dass den Galeriebesucher mit einzubeziehen und Teil des Kunstwerks werden zu lassen, Pop Art vom Feinsten ist. Ich habe schon immer Gemeinschaftswerke gemacht. Die Volksbanane ist für jeden erschwinglich, denn 100 Euro hat jeder.
Die Kunstinitiative Wurzeln und Flügel e.V. zeigt Thomas Baumgärtel mit der Ausstellung „30 Jahre – 30 Werkgruppen“ auf Schloss Reuschenberg bis 30. Juli 2014.
Wie lange machen Sie das schon?
Wir haben die Volksbanane-Aktion auf 1000 Stück begrenzt, die ersten knapp 100 sind schon weg. Vielleicht hätte man es auch auf 80 Millionen beschränken sollen, so in der Art jedem Deutschen seine Volksbanane. Die Deutschen haben ja eine besondere Beziehung zur Banane.
Wie organisiert der Künstler Baumgärtel den Umgang mit den vielen Bananenmotiven?
Es ist wichtig von oben drauf zu schauen. Ich habe immer von Anfang an alles genau dokumentiert und dadurch ein großes Archiv. Das hilft einem Künstler, dass das eigene Werk eine Struktur bekommt und man die einzelnen Schritte wirklich reflektieren kann.
Gibt es die Banane auch bald als digitale Auszeichnung?
Ich habe mich schon sehr früh mit dem Internet auseinandergesetzt, das ich heute für mein Werkverzeichnis nutze. Ich habe früh darüber nachgedacht, die digitale Banane einzuführen, also die Galerien elektronisch auszuzeichnen. Das wäre ja auch viel einfacher und ich müsste weniger reisen. Aber die Idee ist wieder eingeschlafen. Es geht halt doch nichts über die echt gesprühte Banane. Und so posten – also veröffentlichen – wir weiter ein klassisches Foto von der gesprühten Banane in die digitale Welt.
Herr Baumgärtel
wir danken Ihnen für das Gespräch.
Foto: Rainer Holz, Kunstwerke: Thomas Baumgärtel