Glosse: Selfiemania
Tierisches, Selfienäpfchen + Belfies
Sascha Lobo – Digitalguru mit eigener „SPON“*-Kolumne – denkt in anderen Dimensionen und hat unsere Gegenwart schon zum „Zeitalter der Selfieness“ erklärt und definiert: „Selfies sind bereits im Moment ihres Entstehens veraltet, Selfies sind bildgewordene Vergänglichkeit. Selfieness, das Bedürfnis digitaler Selbstdarstellung, treibt damit den Datensog, mit dem soziale Medien und das ganze Internet angetrieben werden. Alles muss online.“ Soweit, so Selfieerklärer Lobo, aber es gibt auch Selfiegegner: Dee Snider, der Sänger der US amerikanischen Hair-Metal-Band Twisted Sister – dem man eine gewisse Extravaganz nicht absprechen kann – trug bei der „FOX & Friends All- American Summer Concert Series“ in New York ein T-Shirt mit der Aufschrift „ Stop Taking Selfies“.
Die „Rheinische Post“ hat im März diesen Jahres Düsseldorf zur „Selfie-Hauptstadt“ Deutschlands gekürt, die aber mit Makati auf den Philippinen nicht mithalten kann, denn dort herrscht die höchste Selfiedichte. Ob dort allerdings die meisten Kopfläuse in fröhlicher Selfiehappiness herumspringen, wissen wir nicht. Aber es gibt Experten, die den Vormarsch der kleinen, wenig possierlichen und blutsaugenden Tierchen damit begründen, dass die Teenager ihre Köpfe zu eng und zu oft zum Selfieshot zusammenstecken.
Dass es auch Selfienäpfchen gibt, mussten US-Präsident Barack Obama, Dänemarks Helle Thorning Schmidt und der britische Premierminister David Cameron erleben, als sie auf der Trauerfeier von Nelson Mandela die Köpfe vor der Smartphonelinse zusammensteckten und dies einen Shitstorm auslöste. Ob der letzte Schrei der hippen
Digitalness das „Belfie“ also das prominente Po-Foto, das Lady Gaga schon anzettelte, eine ähnliche Verbreitung und Manie auslösen wird wie das Selfie, darf bezweifelt werden.
* „SPON“ = „Spiegel Online“
Foto: Ivan Kruk/fotolia