Der Glaube an die eigene Idee – Die Geschichte von Antonia Cox und Tassilo von Grolman
»Wenn es einen Glauben gibt, der Berge versetzen kann, so ist es der Glaube an die eigene Kraft «, »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«. Diese und viele weitere bekannte Sprichwörter machen deutlich, dass man etwas zustande bringt, was vorher rational gesehen undenkbar, aussichtslos oder besonders schwierig schien. Oft ist dies eng verbunden mit einem besonders positiven und erfüllenden Gefühlszustand. Doch wie erzeugt man so einen Glauben, der Berge versetzen kann? Wie entsteht diese Kraft ? Klingt das nicht viel zu einfach, um wahr zu sein? Gibt es eine Art Patentrezept für uns alle? Und was ist überhaupt, wenn man scheitert?
Wir machten uns auf die Suche nach Antworten. Wir sprachen mit Menschen aus unterschiedlichen Bereichen und Lebensphasen. Mit Unternehmern, Initiatoren, Gründern und alten Hasen. Eine Reportage über Durchhaltevermögen, sinnstift ende Ideen, Hingabe und echte Überzeugungen.
Der Ursprung der Überzeugung
Man kann sagen, dass die Überzeugung von Antonia Cox ihr schon in die Wiege gelegt wurde oder besser: in die Schubkarre gelegt wurde. Antonia Cox wuchs quasi in den Gewächshäusern des Blumenhandels auf, den ihr Großvater bereits 1935 gründete und der von der vierten Generation der Familie betrieben wird. Die junge Gründerin des Start-ups POTTBURRI hat die Blume im Blut. In dem beschaulichen Straelen am Niederrhein entwickelt Antonia gemeinsam mit ihrem Bruder Alexander einen biologisch abbaubaren Blumentopf – der Pottburri ist ein Pflanztopf aus Sonnenblumen- kernschalen, einem Abfallprodukt der Lebens- mittelindustrie, welcher sich unter den natürlichen Bedingungen in der Erde kompostiert. Als Alter- native zum Einweg-Plastiktopf vereinfacht er das Gärtnern, gestaltet es nachhaltig und hinterlässt keinen Plastikmüll.
Eine naheliegende Idee, könnte man denken, aber eine Idee, die in Antonia Zeit zum Wachsen gebraucht hat, damit es eine echte Überzeugung wird. Trotz oder gerade wegen der engen familiären Beziehung zum Blumenhandel wollte Antonia erst mal etwas anderes machen. »Kommunikation & Marketing war mein Thema« sagt sie in unserem Gespräch. Nach erfolgreichem Bachelorabschluss im Bereich angewandte Medien und Job als Marketing-Managerin reifte der Gedanke, etwas Nachhaltiges auf die Beine zu stellen. Die ursprüngliche Idee des Großvaters – ein Blumentopf, den man mit einpflanzen kann – war schlussendlich der ausschlaggebende Punkt und der Anfang einer Achterbahnreise, inklusive Fernsehauftritt mit Millionenpublikum.
Von der Idee zur Erfindung
Als Herbert Seibel, der damalige Geschäftsführer des Besteckproduzenten Mono, und sein Neffe Wilhelm Seibel IV. 1983 den Erfinder Tassilo von Grolman trafen und seine ungewöhnliche Idee in der Hand hielten, waren sie beeindruckt. Dass sie eine der Designikonen und einen echten Verkaufsschlager ihres Unternehmens in der Hand hielten, war ihnen wohl damals noch nicht bewusst. Aber von vorne: Tassilo von Grolman, geboren 1942 in Iserlohn, ist gelernter Maschinenschlosser und studierte an der Hochschule für Gestaltung in Kassel Industriedesign. 1975 gründete er sein Designbüro in Frankfurt am Main für Produkt-, Verpackungs- und Corporate Design. Als passionierter Teetrinker empfand Tassilo von Grolman die damaligen Teezubereitungsarten als keine besonders guten, um die Aromen des Tees zu entfalten. Es gab zum damaligen Zeitpunkt in den 80er-Jahren die bis heute bekannten Teebeutel, Teeeier aus Edelstahl und Baumwollnetze mit einem Drahtgestell, in die man die Teeblätter reindrückt, um diese dann im heißen Wasser ziehen zu lassen. Im Herbst 1980 wurde Tassilo von Grolman zu einem Teeabend eingeladen, um über die Gestaltung und Funktionalität von Teekannen zu referieren. Er musste bekennen, dass für die Zubereitung optimalen Tees eigentlich zwei Teekannen benötigt werden: eine Kanne, in der der Tee aufgebrüht und durch ein Sieb in eine zweite vorgewärmte Kanne geseiht wird. Er machte sich eigenständig, ohne Auftrag eines Kunden, an die Entwicklung der idealen Teekanne und änderte damit die Teezubereitung grundlegend. Die Idee war es, das Sieb nahezu so groß zu machen wie die Kanne, um den Teeblättern mehr Raum zur Entfaltung ihres Aromas zu geben. Mit dieser Idee und einem ersten Prototyp war sein Feuer entfacht, die Teezubereitung zu revolutionieren und die Welt mit seiner Idee zu begeistern. Sein Erfolg ließ jedoch noch einige Jahre auf sich warten. Womit seine Überzeugung für die Richtigkeit seiner Idee auf eine harte Probe gestellt wurde.
Aller Anfang ist schwer
Auch bei Antonia Cox läuft am Anfang nicht alles nach Plan. Die Idee, einen biologisch abbaubaren Blumentopf zu entwickeln, ist genial, die Umsetzung gar nicht so einfach. Es wird mit Papiertöpfen experimentiert, aber die Töpfe sind nicht robust genug. Nach einer längeren Entwicklungsphase ist die Lösung endlich da. Gemeinsam mit dem Unternehmen Golden Compound ist ein Topf auf Basis von gemahlenen Sonnenblumenschalen entstanden, der zu 100 % biologisch abbaubar ist. Ab jetzt wird richtig getestet. Hält der Topf stand? Wie ist es bei den automatisierten Gartenbetrieben? Und wie lange braucht der Topf, um sich zu zersetzen? »Es war echt ein stetiges Auf und Ab.«, so beschreibt es Antonia. Aber 2018 ist es so weit und die ersten 1.500 Töpfe laufen beim Pflanzentopfproduzenten Osko übers Band. Der Anfang ist gemacht bei dem jungen Start-up und durch die hervorragenden Kontakte zu den Gartenbaubetrieben, Zwischenhändlern und zum stationären Handel nimmt das Geschäft schnell Fahrt auf. Nachhaltigkeit ist damals schon im Trend. 2019 werden schon über 750.000 Töpfe verkauft, das Produkt funktioniert. Aber wenn Antonia und ihr Bruder Alex auf die Zahlen der Branche schauen, wissen sie, es ist noch ein langer Weg. Denn in Deutschland werden pro Jahr ca. 500 Millionen Töpfe in Umlauf gebracht. Ein Haufen Plastik.
Dass eine gute Idee nicht automatisch zu einem Goldesel wird, muss auch Tassilo von Grolman am eigenen Leib erfahren. Nach der Fertigstellung des Prototyps wurde er bei den großen Herstellern von Haushaltswaren vorstellig und stellte sein Produkt begeistert vor. Seine Idee will niemand von den Branchengrößen produzieren. »Tee wird doch nur im Krankenhaus getrunken«, ist die damalige Meinung. Doch Tassilo von Grolmann hört nicht auf, an seine Idee zu glauben, trotz unzähliger Absagen. Und so landet er bei dem Besteckhersteller Mono. Gegründet wurde das seit 2015 unter Mono GmbH firmierende Unternehmen bereits 1895 von Wilhelm (dem Ersten) Seibel als Metallwarenfabrik in Mettmann. Die Mono Manufaktur ist heutzutage ein Sonderling in einer Branche, die geprägt ist von Produktionen aus Asien. Bei Mono wird bis heute an traditionellen Herstellungsverfahren festgehalten und hochwertige Materialien und Designs stehen im Mittelpunkt. Vielleich auch deshalb stößt die Idee der Teekanne von Tassilo von Grolman auf offene Ohren. Sie fanden die Idee echt charmant und waren offen, es als Experiment auszuprobieren. Die nächsten Jahre waren geprägt von der technischen Entwicklung zu einem echten Serienprodukt. Es gab viele Herausforderungen, besonders das Glas für die Teezubereitung. Dieses Glas musste hitzebeständig und stabil sein. Die Lösung: Industrieglas. Das nächste Problem: Die Abnahmemenge 30.000 pro Produktionstag bei den Glasproduzenten. Viel zu große Summen für ein Produkt, was sich noch nicht auf dem Markt bewiesen hat. Aber der Verkaufsverantwortliche vom Mainzer Glashersteller Schott lässt sich überzeugen und gibt dem Produkt eine Chance, ohne auf den riesigen Abnahmemengen zu beharren. Eine Überzeugung, die von mehreren geteilt wird, kann echt Geschwindigkeit aufnehmen.
Durchhalten für echten Erfolg
Dass der Erfolg manchmal auf sich warten lässt, konnten die Manufaktur und der Designer Tassilo von Grolman am eigenen Leib erfahren. Die Serienproduktion der Teekanne Mono lief 1983 an und am Ende des Jahres wurden 800 Teekannen verkauft. Trotz des eher enttäuschenden Ergebnisses glaubten alle Beteiligten weiter an den Erfolg und verfolgten stoisch mit Überzeugung das Ziel. Der große Erfolg kam 10 Jahre später und machte die Teekanne zu einem echten Verkaufsschlager mit über 1 Million Teekannen im Markt. In den besten Jahren verkauften sich über 50.000 Stück pro Jahr. Die Teekanne wurde zu einem echten Designklassiker mit vielfachen Auszeichnungen – von Kassel bis New York ist sie Teil von Sammlungen der modernen und angewandten Kunst. Auch finanziell machte sich das Durchhaltevermögen für Tassilo von Grolman bezahlt. Es zeigt, manchmal muss man an die gute Idee glauben, auch wenn es mal länger braucht.
Antonia und Alex sind mit ihrem Start-up noch lange nicht am Ziel, des langen Weges sind sie sich bewusst. 2020 erhalten sie einen Anruf, den man durchaus als Glücksgriff bezeichnen kann. Die Produktion von »Die Höhle der Löwen« des Senders Vox möchte das Start-up POTTBURRI in der Sendung haben. Eine Chance, die man sich nicht entgehen lassen kann. In der Show werben Start-ups, Erfinder und Unternehmensgründer um Kapital zum Wachstum ihres Unternehmens. Sie stellen ihre innovativen Geschäftskonzepte den »Löwen« vor und bieten ihnen dafür Geschäftsanteile. Mehr als 2 Millionen schauen regelmäßig zu. Die Geschwister überzeugen und bekommen einen Deal. In der Sendung sichert sich der Löwe Ralf Dümml 20 % der Anteile für 150.000 €. Ausgestrahlt wurde die Sendung im April 2021 und über 5 Millionen Kontakte werden mit der Marke POTTBURRI und dem nachhaltigen Blumentopf bespielt. Ein Riesenhebel für die beiden Gründer. Es wird ein eigener Onlineshop gelauncht und die Pflanzen im POTTBURRI sind im Teleshopping der Renner. Ende des Jahres sind es mehr als 3 Millionen verkaufte Blumentöpfe. Ein guter Meilenstein, sagt Antonia. Es gibt aber noch viel zu tun. Mitarbeiter werden eingestellt, die die Überzeugung der beiden Gründer teilen. Aber Antonia ist es wichtig, dass jeder so arbeitet, wie es ihm Spaß macht. Denn jeder darf die Überzeugung so leben, wie er es mag.