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David Hockney: Der mit dem iPad malt

David Hockney ist 77 und malt wie ein junger Wilder. Unter anderem auf dem iPad.

David Hockney
David Hockney wurde als viertes von fünf Kindern als Sohn des Buchhalters Kenneth Hockney und seiner Frau Laura geboren. Der Vater war Hobbymaler und förderte die künstlerische Begabung des Sohnes. Nach dem Besuch der Bradford Grammar School schrieb er sich 1959 am Royal College of Art in London ein.

Später ließ sich Hockney in Kalifornien nieder und malte eine Serie von Ölgemälden von Swimmingpools in Los Angeles. Er war Teilnehmer der 4. documenta in Kassel im Jahr 1968 und auch auf der documenta 6 im Jahr 1977 als Künstler vertreten.
1974 war Hockney das Thema von Jack Hazans Film A Bigger Splash (benannt nach einem von Hockneys Swimmingpool-Bildern aus dem Jahre 1967). Viele seiner Werke finden sich jetzt in der alten Textilfabrik Salts Mill in Saltaire, in der Nähe von Bradford.

Der alte Mann will mehr. Mehr Perspektive. Mehr Farbe. Mehr Möglichkeiten, das Licht im Frühling von West Yorkshire festzuhalten, wohin er nach 20 Jahren in Kalifornien zurückgekehrt ist. Dorthin, wo Sonne und Schatten manchmal alle paar Minuten wechselt. „Das iPad macht mich schnell genug, diesem Lichtwechsel folgen zu können“, sagt David Hockney und zückt sein Zigarettenetui, klaubt einen Tabakstengel mit Filter heraus und entzündet ihn am fest im Etui eingebauten Feuerzeug. Er liebt es, die Nichtraucherapostel der Welt mit dieser Geste zur Weißglut zu bringen. Anfang Juli ist er 77 Jahre alt geworden, der Mann, der mit dem iPad malt.

 

iPad-Kunst

Die iPad-Kunst hat ihn noch bekannter gemacht, sagt David Hockney und staunt manchmal über diesen Hype. Er mache noch so viel mehr, stellt er dann schulterzuckend fest, nicht anklagend. Das stimmt. Manchmal sehen ihn die Nachbarn mit dem Landrover eine Windböe jagen. Zwölf Kameras sind auf das Geländeauto montiert. Sie filmen Baumblätter, die sich im Luftzug wiegen; eine jede Kamera aus ihrer eigenen Perspektive, die sich später in den Museen eben nicht nahtlos ineinander fügen, sondern viele verschiedene Blickwinkel zeigen. Wenn der fröhliche, sture, alte Dickkopf David Hockney gegen irgendetwas beständig anrennt, dann gegen die Diktatur der Zentralperspektive in der Malerei. Aber das ist eine andere Geschichte.

2008 hat Hockney das iPhone entdeckt. Mitsamt der kostenlosen App Brush. Erst fuhr er rasch mit dem Daumen über den Bildschirm. Skizzierte. Probierte. Malte aus. Die Farben hat er aus Kalifornien mitgebracht: Cleane, grelle Töne, die bis an die Schmerzgrenze gehen und manchmal, nein falsch, oft auch darüber hinaus. In dieser Zeit bekamen seine Freunde jeden Tag pixelierte Hockneys zugeschickt und weiß Gott nicht alle von ihnen waren klug genug, die kleinen, manchmal naiven Landschaften aufzuheben und zu speichern.

Unerschütterlicher Pragmatiker

Zwei Jahre später kam das iPad auf den Markt und für Hockney begann eine neue Zeit des Ausprobierens. Das war mehr als die Experimente mit Canon Farbkartuschen, mit monochromen, über ein Fax verschickten Collagen, mit Adobe Photoshop Dateien. David Hockney ist Brite, also unerschütterlicher Pragmatiker und sah als Erster den ungeheuren Wert des Anzeigegerätes mit dem angebissenen Apfel für sein Schaffen: Es ersetzte ihm nicht einfach bloß den Skizzenblock, sondern Staffelei, Farbkästen, Pinsel-Etui, Lappen und all den sonstigen Ballast, mit dem Maler bisher durch die Landschaft gezogen waren. Egal, ob sie aus dem Anfängerkurs der Volkshochschule stammten oder – wie David Hockney – bereits einer der letzten Vertreter der Moderne waren.

„Das iPad macht mich schnell genug, diesem Lichtwechsel folgen zu können.“

Als seine Mutter starb, kehrte David Hockney zurück nach Yorkshire, zu den Feldern, auf denen er seine Kindheit verbracht hatte. In Öl, auf dem iPad, per Kamera-Installationen widmet er sich seither der Landschaft dort. Menschen kommen in den Bildern nicht vor, nur die Jahreszeiten mit ihren unterschiedlichen Stimmungen. Wer den Künstler erlebt hat – zum Beispiel im Kölner Museum Ludwig im Jahr 2012 – der ist deutlich im Vorteil. Denn manch ein Betrachter wähnt David Hockney abgetaucht ins Reich des manisch depressiven Naturbetrachters. Museumsgänger hingegen haben Hockney als einen Schelm erlebt, der die Kölner Schau mit ihrem besonderen Akzent auf seinen, modernen Arbeiten als „starkes Statement“ lobte. Besser jedenfalls als die Vorgängerausstellungen in der Londoner Royal Academy und im spanischen Bilbao.

Den Kölnern gefällt solch eine Schmeichelei und deshalb fielen sie darauf rein. Dabei musste die Londoner Academy Nachtöffnungszeiten einlegen, um alle Interessenten an Hockneys  Gesamtkunstwerk – die iPad-Malerei inklusive – zufriedenstellen zu können. 650.000 Menschen huldigten dem schmächtigen Mann. In Bilbao kamen ebenfalls mehr als eine halbe Million Menschen. Es scheint, als sei der 77 Jahre alte Mann immer noch in der Lage, den Nerv der Zeit zu treffen.

Foto: Ullstein Bild